Dr.
Roman Karl Scholz
Augustiner-Chorherr. Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Hingerichtet.
Lebenslauf
Roman Karl Scholz wurde am 16.1.1912 in Mährisch-Schönberg geboren. Er war der uneheliche Sohn von Josefa Scholz. Dank seiner Großeltern, die ihn aufzogen, konnte er in seinem Geburtsort ein Gymnasium besuchen. Er leitete schon während seiner Gymnasialzeit eine katholische Jugendgruppe. Als Mittelschüler geriet Scholz in den Bann der nationalen Lösung der Sudetendeutschen.
Roman Karl Scholz trat 1930 als Novize in das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg ein. 1934 leistete er die feierliche Profess, 1936 wurde er zum Priester geweiht. Zunächst wirkte er von 1936 bis 1938 als Kaplan in Wien-Heiligenstadt. Ab 1938 war er Religionslehrer am Gymnasium in Klosterneuburg, und ab 1939 Augustiner-Chorherr in Klosterneuburg; zuerst als Professor für Theologie und christliche Philosophie an der Ordensschule des Stifts sowie ab Kriegsbeginn Militär-Standortpfarrer in Klosterneuburg.
Als Mittelschüler wandte er sich den Nationalsozialisten zu und trat der NSDAP bei. Hintergrund war seine Vorstellung, als Sudetendeutscher in einem einigen deutschen Reich zu leben. Doch mit seiner Teilnahme am Reichsparteitag in Nürnberg im Jahre 1936 wurde er eines Besseren belehrt.
Gründer der Widerstandsgruppe "Österreichische Freiheitsbewegung"
Roman Karl Scholz gilt gemeinsam mit Viktor Reimann als Gründer der ersten Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus in Österreich, der "Österreichischen Freiheitsbewegung". Die Ziele der Gruppe bestanden in der Aufklärung der Bevölkerung über das wahre Gesicht des Nationalsozialismus und in weiterer Folge dem Sturz des Regimes, dem Austritt der Donau- und Alpengaue aus dem Reich und der Wiedererrichtung eines Staates Österreich, der auch ganz Bayern bis zum Main miteinschließen sollte. Zudem verfolgte die Widerstandsgruppe auch geistige Ziele wie die Freiheit des Glaubens, der Meinungsäußerung, der Freiheit von Not und der Freiheit von Furcht.
Die “Österreichische Freiheitsbewegung” war Anfang 1939 bereit, von reinen Schulungsaufgaben zu Aktionen überzugehen. So wurden tausende Flugblätter produziert und verbreitet. Die Zielsetzung gestaltete sich breiter und der Kontakt zu weiteren Widerstandsgruppen wurde gesucht. Schließlich erfolgte der Zusammenschluss mit der von Dr. Jakob Kastelic gegründeten "Großösterreichischen Freiheitsbewegung” sowie der “Österreichischen Freiheitsbewegung”, wo Dr. Karl Lederer als führender Funktionär wirkte.
Verrat durch Otto Hartmann, 11 Todesurteile, 9 Hinrichtungen
Der Burgschauspieler Otto Hartmann hatte sich der Widerstandsgruppe angeschlossen, gab sich besonders aktiv, agierte jedoch als Spitzel der Gestapo. Als solcher verriet er alle drei Gruppen im Zeitraum Juli bis September 1940. Das führte dazu, dass gut 300 Mitglieder verhaftet wurden. Roman Karl Scholz war zunächst im Gestapo-Hauptquartier und hernach über drei Jahre in verschiedenen deutschen Gefängnissen inhaftiert. Es sollte bis zum 3. März 1944 dauern, als der Volksgerichtshof in Wien den Prozess gegen alle Beteiligten der drei Widerstandsgruppen durchführte. Insgesamt wurden elf Todesurteile gefällt, in neun Fällen kam es zur Vollstreckung, so fielen auch Dr. Jakob Kastelic, Dr. Karl Lederer und Rudolf Wallner dem Fallbeil zum Opfer.
Berührende Worte eines Dichters
In seiner Haftzeit schrieb Roman Karl Scholz zahlreiche Gedichte. Er hatte nie mit einer Rettung gerechnet. So blieb auch ein Telegramm von Kardinal Innitzer um Begnadigung des Augustiner-Chorherren ohne Wirkung. Roman Karl Scholz war das Streben nach der Freiheit, der Freiheit des Menschen und der Österreichs, stets ein Hauptanliegen gewesen. So schrieb er die berührenden Zeilen:
»Ihr seid das Heute!
Heute wird gestern.
Wir sind das Morgen!
Morgen wird heute!«
Fülle, von K.R. Scholz
"Oh, welche Fülle im Geviert
des Fensters meiner neuen Zelle:
Wie selig man die Luft verspürt
und eindringt Strahl um Strahl die Helle!
Wie wundervoll das gelbe Rohr
im Hof der jungen Winterlinde.
Und oberm Dach der Wolkenflor
zerfasert vom Novemberwinde.
Des Nachts ein lang entwöhntes Bild
Zwei - dreier Sterne hohes Wandern.
Sind es dieselben, deren Mild
Dereinst in Nächten schien, den andern?"
(aus: G. Huber-Gergasevics, Roman Karl Scholz, S. 152.)
Quelle: Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. Band 3, Seite 1595. Wiener Stern Verlag 2016
Kassiber an seine Mitbrüder, v. 15.2.1944 (Auszug)
"Liebe Mitbrüder! Bevor sich der letzte Akt meiner Tragödie vollzieht und mir die Verurteilung jede Möglichkeit nimmt, mit ein paar Zeilen einen letzten Dank abzustatten, nütze ich die Gunst der Stunde dazu, es zu tun. Ich weiß nur allzu gut wie erzwungen euer Schweigen war - und zugleich klug gleich dem meinen. Ebenso habe ich nie daran gezweifelt, dass ich nicht vergessen und verlassen war, und weiß, dass ich es heute weniger bin, denn je. Dass vielmehr alles geschieht, was geschehen kann, um mein Leben zu retten. Ich darf aber nicht verhehlen, dass ich reichlich pessimistisch bin, was einen guten Ausgang meiner Sache betrifft. So möchte ich dennoch einiges sagen, was mir am Herzen liegt. Vorerst: Ich muss annehmen, dass man meine Person als (recht fadenscheinigen) Vorwand benützt hat, um den lange vorbereiteten Schlag gegen das Stift zu führen. Soll ich mich verteidigen? Ich meine, jeder Vorurteilslose weiß hier klar Bescheid. Ich wage sogar zu sagen, dass mein Wirken und mein Tod, so Gott will, der Grund dafür sein wird, dass unser Haus glorreich wiederersteht. Man glaube mir: Was ich getan habe, das tat ich aus der Not meines Gewissens heraus. Was ich als Christ und Mensch bedauern muss, tut mir herzlich leid. Als Mann und Patriot habe ich nichts zu bereuen. Vor meinen Freunden und der Nachwelt bin ich ebenso gerechtfertigt wie vor mir selber..."
Quelle: Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. Band 3, Seite 1597. Wiener Stern Verlag 2016
Werke
Der 1935 entstandene Gedichtband “Ferne feine Dinge” ist nicht mehr erhältlich. Posthum veröffentlichte Lyrik ist möglicherweise noch im antiquarischen Handel erhältlich.
Letzte Worte, Hinrichtung
Roman Karl Scholz wurde am 10. Mai 1944 im Landesgericht I in Wien enthauptet. Seine letzten überlieferten Worte sind: "Für Christus und Österreich".
Aus dem Urteil
“Ende 1939 (…) kam es insofern zu einer Radikalisierung, als (…) Terror- und Sabotageanschläge vorbereitet wurden. Auch Waffen und Munition wurden beschafft. (…) Jenem Vollzugsausschuss (Exekutionskomitee) gehörten an: Scholz als Vorsitzender, Zimmerl als sein Stellvertreter, Otto Hartmann (Anmerkung: Gestapospitzel, der 1947 zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, jedoch 1957 begnadigt wurde) als Leiter des außenpolitischen Referats und Führer einer Hundertschaft, in der die Aktivisten der Organisation zusammengefasst waren, ferner der inzwischen zum Tode verurteilte Dipl.-Kaufmann Gerhard Fischer-Ledenice, als dessen Nachfolger sowie als Schulungsleiter der Angeklagte Heintschel-Heinegg und als Führerin der Frauengruppe die Angeklagte (Luise) Kanitz (…) Schon damals, jedenfalls nach Ausbruch des Krieges, gingen Scholz und seine Mitarbeiter dazu über, durch Verbreitung von Flugzettel Massenpropaganda zu treiben.”
Pfarrer Hans Rieger erinnert sich an Karl Roman Scholz (aus "Neuer Mahnruf", 4/1964)
"Von den vielen, vielen, die ich als Seelsorger auf ihrem letzten Weg begleiten durfte, tritt die Person des Roman Karl Scholz mir ganz besonders ins Gedächtnis. (...) Ich hatte nicht oft die Gelegenheit mit ihm zusammen zu sein, aber als ich am Tage seines Todes, am 10. Mai 1944, seine Sterbezelle betrat, da hatte er den Sessel unter das Oberlicht des Gefängnisses gerückt, um die Sonnenstrahlen, die da hereinfielen, mit seinem Gesicht aufzunehmen. Er entschuldigte sich bei mir mit den Worten: "Verzeihen Sie, Herr Pfarrer, dass ich nicht aufstehe, aber die wenigen Stunden, die mir noch zu leben gegeben sind, will ich gerne noch die Sonne genießen." Als das Licht der Sonne verschwunden war, trat er auf mich zu, in der Hand hielt er einen Becher. Dieser Becher, aus Metall bestehend, war durch Vermittlung der Hausarbeiter aus der Zelle von jungen Kommunisten in die Priesterzelle gelangt, und in den Mantel des Bechers waren die Worte eingeritzt: "Wir ehren Euer Opfer."
Quelle: Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. Band 3, Seite 1590. Wiener Stern Verlag 2016
Würdigung
Nach Roman Karl Scholz ist ein Platz in der Klosterneuburger Innenstadt benannt.
Im Gymnasium Klosterneuburg wurde im Jahre 1990 eine Gedenktafel eingerichtet.
Die katholische Kirche hat Roman Karl Scholz als Glaubenszeugen in das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts aufgenommen.
Gedenkort - Landesgericht für Strafsachen Wien
Im ehemaligen Hinrichtungsraum des Landesgericht für Strafsachen Wien findet sich sein Name auf einer der Gedenktafeln.
Gedenktafel auf der Gruppe 40
Sein Name befindet sich auf einer Gedenktafel, die am 27.10.2015 feierlich auf der Gruppe 40 enthüllt worden ist.
Das Grabmal auf dem Heiligenstädter Friedhof
Gedenkort - Gruppe 40, Zentralfriedhof
In der Gruppe 40 wurden die im Wiener Landesgericht Hingerichteten beerdigt. 2013 wurde die Gruppe 40 zur Nationalen Gedenkstätte erklärt.
Quellen und Bildnachweise
- Willi Weinert, "Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer". 4. Auflage Wiener Stern Verlag, 2017
- Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. 4 Bände. Wiener Stern Verlag 2016
- Porträtbild: Willi Weinert oder Wiener Stern Verlag
- Bild Fallbeil/Guillotine: Leihgeber Kurt Brazda
- Andere Bildrechte: Angabe bei Anklicken des Bildes (Bildinformation)
- Andere Bilder: Privatbesitz oder Verein Zur Erinnerung
- Wikipedia: Roman Karl Scholz
- austria-forum.org: Scholz, Roman Karl
- Wien Geschichte Wiki: Karl Roman Scholz
- Exilarchiv.de: Scholz, Roman Karl
Hauptwerke zur Gruppe 40
- Willi Weinert, „Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer“. Biografien der im Wiener Landesgericht hingerichteten WiderstandskämpferInnen gegen das NS-Regime. Ein Führer durch die Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof. 4. Auflage Wiener Stern Verlag 2017
- Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. 4 Bände. Wiener Stern Verlag 2016
Weiterführende Informationen
- DÖW Katalog zur permanenten Ausstellung. Hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien 2006
- Wolfgang Neugebauer, Der österreichische Widerstand 1938-1945, Wien 2008
- Die Geschichte des Grauen Hauses und die österreichische Gerichtsbarkeit, Wien 2012
- DÖW (Hg.) Widerstand und Verfolgungen in den österreichischen Bundesländern (Wien, Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Niederösterreich, Salzburg), Wien 1975-1991
- Heinz Arnberger, Claudia Kuretsidis-Haider (Hg.) Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung, Wien 2011
- Brigitte Bailer, Wolfgang Maderthaner, Kurt Scholz (Hg.), „Die Vollstreckung verlief ohne Besonderheiten“, Wien
- Herbert Steiner, Gestorben für Österreich. Widerstand gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1995
- Herber Steiner, Zum Tode verurteilt: Österreicher gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1964
Web-Hinweise
- www.sternverlag.at - Wiener Stern Verlag
- www.doew.at - Dokumentationsarchiv des österr. Widerstands
- www.kz-verband.at - KZ-Verband/VdA
- www.freiheitskämpfer.at - Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen
- www.oevp-kameradschaft.at - ÖVP Kameradschaft der politisch Verfolgten
- www.nachkriegsjustiz.at - Zentrale österr. Forschungsstelle Nachkriegsjustiz
- www.archiv.wien.at - Wiener Stadt- und Landesarchiv
- www.friedhoefewien.at - Friedhöfe Wien